Reha auf Kreta

Alles fing damit an, dass ich nach fünf Jahren den dringenden Bedarf an einer physischen Reha verspürte und dazu mehrere Kliniken anschrieb, nur um zu erfahren, dass keine Plätze verfügbar waren.

Nach Abklingen der Enttäuschung beschliesse ich, “dann eben eigene Reha”. Und zwar, nicht lange überlegt, auf Kreta! Der Zeitraum ist schnell gefunden, im September soll es sein, ohne sommerliche Hitze. Ein barrierefreies Hotel in Heraklion ist schnell gefunden und gebucht, ein bezahlbarer Flug mit Stop in München und der Transport mit Rollstuhl auch.

Am Reisetag seht um sechs das Taxi vor der Tür, am Flughafen Köln, im Rollstuhl mit der Reisetasche auf dem Schoß werde ich sofort betreut und vom Check in bis zum Flugzeug begleitet, wo mein Rollstuhl entgegengenommen wird und ich mich von Sitzlehne zu Sitzlehne bis zu meinem Platz entlangbewege. Der Flug, Aufenthalt in München, Ankommen auf Kreta, Pass, Gepäck und Taxi laufen so, als würde ich so Etwas jeden Tag machen.

Der angepriesene barrierefreie Zugang zum Hotel erweist sich als eine ordentlich steile Rampe, für mich unfahrbar. Es dauert nicht lange bis eine Dame vom Empfang zu mir kommt, quer über die Strasse in’s Parkhaus huscht und sogleich mit meinem neuen Rollstuhlantrieb in Form eines jungen Mannes zurückkehrt. Diese Aktion macht mich doch etwas nachdenklich, was völlig unbgründet ist, wie die folgenden zwei Wochen bestätigen werden.

Mein Zimmer liegt in der 5. Etage und vom Balkon habe ich einen herrlichen Blick über die Stadt, einen Teil der Insel und das Mittelmeer. Als ausgepackt und eingeräumt ist, frage ich am Empfang nach Lokalen in der Nähe, womit nach Anschub durch eben Den die Strasse hinauf nach 50 Metern in “Amalia’s Kitchen” mit dem ersten kretischen Essen und Palaver mit dem Kellner, einer Abfahrt zum Hotel und erwähntem Rollstuhlantrieb mein erster Tag endet.

Am nächsten Tag rolle ich hinab bis zum Meer, fahre in beide Richtungen die Küste entlang, betrachte die antike Festung, Sport- und Industriehafen mit etlichen Kreuzfahrern. Nach je ca. zwei Kilometern kehre ich um und fahre dann zum Teil im Zickzack die Anhöhe der innerstädtischen Fussgängerzone hinauf bis zum Hotel.

Die folgende Zeit verbringe ich mit teilweise angeschobenem oder aber eigenem Aufstieg in der Innenstadt, in der Einkaufstrassen mit Lebensmitteln, Kleidung und Souvenirs, Strassenmusikanten, ein “Minotaurus” in Kunstfell schwitzend, zahlreiche Touristengruppen die alten und neuen Sehenswürdigkeiten frequentieren.

Fast verbringe ich einen ganzen Tag mit der Abfahrt zur Festung und Weiterreise auf der Pier, die nach und zwei Kilometern in einem Rondell mit Leuchtturm endet, von wo man eine hervorragende Aussicht auf das Mer und den Schiffsverkehr hat. Nach Hin- und Rückweg von gut zwei Stunden drängt sich beim abscliessenden Eis die Erkenntis auf, dass meine kurze Hose die Knie überhaupt nicht vor einem mittelschweren Sonnenbrand geschützt hat.

Etwas aufmerksamer in puncto Sonnenbrand erfahre ich mir in der verbleibenden Zeit die Stadt mit ihren verschiedenen Bereichen und Sehenswürdigkeiten bis zur Rückkehr nach Hause, die ebenso “glatt” verläuft, wie die gesamt Reise.

Und wohin nächstes Jahr?

Extraschicht 2024, eine Nacht im “Pott”

Am ersten Juni 2024 war im Ruhrgebiet wieder “Extraschicht”, an vielen Orten fanden sehr verschiedene künstlerische Darbietungen statt. Ich habe mir ein Ticket besorgt und muss mir zuerst einen Überblick verschaffen, wie ich einen möglichst einfachen Rundkurs zu vielen interesanten Orten in der Zeit von 18 bis 2 Uhr am Sonntag hinkriege. Bald habe ich mir das gesamte Programm angesehen und meine Route steht.

Der Start liegt in Mülheim. Im Müga Park ist die “Schwimm City” aufgebaut, eine Interpretation des Freibads mit Liegewiese, Kofferradio und kühlen Getränken. Die runde Open Air Live Bühne ist mit blauer Folie ausgelegt und stellt das Becken für die hier erfundene Sportart des “Unterwasser-Rugby ohne Wasser” dar, zwei Mannschaften bewegen sich im Zeitlupentempo über diese Bühne und stellen ein Unterwasserrugby Spiel dar. Direkt daneben nehme ich an einer Führung durch den ehemaligen Ringlokschuppen teil, in dem einst Lokomotiven nebeneinander geparkt waren und der heute, nach Wiederaufbau der Ruine einen Standort für Theater, Konzerte und Kabarett mit drei Bühnen darstellt, so von der Eisenbahnruine zum Kulturtempel!

Die nächste Station ist das Aquarius Wassermuseum, ein früherer Wasserturm, der das Wasser der Ruhr als Trinkwasser vorhielt. Heute ein Museum der Gewinnung und Verwendung des Ruhrwassers, von dessen Aussichtsbalkon man eine phantastische Aussicht über einen großen Teil des Ruhrgebiets geniessen kann.

In Bottrop ist in einer stillgelegten Kläranlage der Bernepark entstanden, indem das Klärbecken zu einem “Theater der Pflanzen” wurde, umfangreich bepflanzt, nutzen die Artist:innen von “Flying Street Art” den drehbaren Arm der Anlage, die “Räumerbrücke” zur Vorführung vollkommen neuer Aspekte der Akrobatik, in der Dunkelheit durch gezielte Beleuchtung geheimnisvoll akzentuiert.

Ungefähr um Mitternacht erreiche ich die letzte Station, Zollverein. Oder besser: das “Unesco Weltkulturerbe Zeche Zollverein”. Neben zahlreichen Führungen durch die Anlagen ist vor dem Hauptgebäude eine Wiese mit mannshohen aufblasbaren Blumen angelegt, durch die “Dundu”, eine bestimmt 4 Meter große strahlende Puppe wandert, durch Stäbe bewegt von 3 Männern. Das Hauptgebäude ist stimmungsvoll mit künstlerischen Bildern angeleuchtet, wodurch eine eigenartig zauberhafte Athmosphäre entsteht.

Voller künstlerischer und märchenhafter Eindrücke trete ich gegen Ein Uhr die Heimreise an – ganz sicher: “bis zum nächsten Jahr!”

Unter Booten

Es war am letzten Sonntag. Alle Medien hatten davon berichtet, dass U 17, ein ausgemustertes U-Boot der Bundesmarine an diesem Tag von Duisburg aus rheinaufwärts auf dem Weg zu seiner Präsentation im Technikmuseum in Sinsheim zu betrachten sein würde. Was tut also ein interessierter Veteran? Er schnappt sich am Morgen seine Kamera, fährt wenige Minuten zum Rheinufer und hofft auf ein paar brauchbare Bilder von dem anderen Rentner, der bekanntermassen nur aus leblosem Stahl besteht. Es war im Vorfeld berichtet worden, dass U 17 auf einem Transportponton verladen sei, der bis nach Speyer geschleppt würde. Wie ich erwartet hatte, war die Vorfreude auf dieses Ereignis Grund für eine Vielzahl von Bonnern, sich am Rheinufer zu versammeln und dieses nicht alltägliche Ereignis zu bestaunen. Hier unten am Rhein macht sich auch gerade eine Gruppe des THW bereit, mit ihren Motorbooten den Transport zu begleiten. Und dann, mit einiger Verspätung erscheint der Schiffstransport, gemächlich stromaufwärts seinen Weg nehmend. Die übliche Rheinschiffahrt, die ihren normalen Geschäfen nachgeht, bereitet mir die Freude betrachten zu können, wie sich zwei “Schrottschiffe” begegnen: der U-Boottransport und ein mit Schrott beladenes Frachtschiff befahren den Fluss in entgegengesetzter Richtung, was mir ein amüsiertes “so muss es sein” entlockt. An diesem Sonntagmorgen habe ich ein sicherlich äusserst seltenes Geschehen erlebt, auch wenn es weniger spektakulär war, als vielleicht zu erhoffen gewesen wäre.

Afrikanische Grooves

Im Rahmen des “Over the Border” Festivals für Weltmusik steht die ghanaische Formation “Santrofi” auf der Bühne der Bonner “Harmonie” und lässt uns einen Eindruck der Musik ihrer Kindheit und Jugend gewinnen, die sie heute als Songs präsentieren. Die acht Musiker an Keyboard, Blech und Percussions spielen pulsierende, beinahe karibische Rhythmen, die unweigerlich in den ganzen Körper eindringen und zum “mitgrooven” animieren. Das geschieht natürlich auch bei mir, dem MS-Rollifahrer. Diese Art Musik, “Highlife” genannt, stammt ursprünglich aus den 60er Jahren und wurde in Ghanas Haupstadt Accra geboren und bei jeder Gelegenheit gespielt. Heute wird diese Musik, um Funk, Calypso und Afrobeat angereichert, zu einer treibenden Rhytmuswelle, ergänzt und verstärkt durch die faszinierenden Beiträge von Posaune und Trompete, angefeuert durch ein vielfältiges Schlagzeug und die ursprünglichen Bongos. Das Publikum hat einen sehr fröhlichen, das Leben versprühenden Abend erlebt, als es dann doch wieder in Eropa angekommen ist.

Königshof Nikolausgraffitti

Am sechsten Dezember 2022 – ja, es war kalt! – war den ganzen Tag eine Wand des Hotels Königshof am Bonner Rheinufer für jeden Sprayer freigegeben, der sich und seine Kunst dort verewigen wollte. Bereits am recht jungen Morgen begannen die Vorbereitungen. Ein Gerüst wurde errichtet und für die Teilnehmer, die die Stadt eingeladen hatte, entstand ein Verpflegungszelt mit Suppe und warmen Getränken. Parallel dazu erschienen die “Graffittologen” allein oder mit Unterstützung, um den Ort des Geschehens in Augenschein zu nehmen und sich mit der Umgebung vertraut zu machen. Ich hatte an diesem Morgen in der Zeitung von dieser Graffitti-Aktion der Stadt Bonn gelesen und sofort beschlossen, dabei sein zu wollen. Natürlich bin ich kein Sprayer, in meinem Rollstuhl kann ich bestimmt nicht höher, als anderthalb Meter malen oder sprayen, aber diese Aktion durfte ich mir nicht entgehen lassen! Also den Rolli ins Auto und ab zum Brassertufer!

Dort angekommen, konnte ich als interessierter Betrachter die unterschiedlichen Herangehensweisen der Künstler beobachten. mal ging es sofort los, ob spontan, oder lange geplant, schon routiniert und oft realisiert, müssten die Akteure beantworten können. Andere nahmen individuell sehr unterschiedlich, mal sinnierend, mal Bier trinkend den Atelierort in Besitz. Es gibt Vorstellungen, bei denen sich Sprayer ganz individuell und kreativ alleine mit sich beschäftigen, während gleichwohl zu betrachten war, dass einige Artefakte nach und in Folge intensiver Diskussion und Kooperation inner- und ausserhalb der Künstlergruppen, auch assistiert von passierenden Spaziergängern oder Radfahrern entstehen.

Jedem Schaffensprozess hatte das städtische Kulturamt eine feste Zeit zugeordnet, was den Zuschauern ein reges Treiben, sehr unterschiedliche Unterstützungsmusik und-aktivität darbrachte. Als hätte es sich herumgesprochen, wurde die Zahl der Schaulustigen auch immer grösser und es entwickelte sich ein kühles (kaltes!!) Volksfestgeschen, das zu betrachten eine grosse Freude sein konnte.

Und auch nach einem Monat ist es immer eine interessante Graffittischau, die sich dem Rhein und allen Passanten präsentiert.

Hippo (next version)

Es ist schon wieder Montag und ich bin auf dem Weg nach Buschbell, wo meine Hippotherapeutin mir gleich wieder eine halbe Stunde Training in Equilibristik, Reaktionsverhalten, Muskelaufbau, Sitzfleisch, eiskalte Finger und am Ende doch jede Menge Zufriedenheit verpassen wird. Hier sitze ich auf einer Decke auf meiner Trainerin, deren Aufgabe es ist, mich dazu zu bringen, aufrecht und locker auf ihr sitzen zu bleiben, nicht abzustürzen und das Alles gut zu finden.

Glücklicherweise arbeitet mein “Körpergedächtnis” auch nach zwanzig Jahren Krankheit mit stetig nachlassendem Aktivitätspotential, ohne sportliche Betätigung und aktive Reiterei noch so gut, dass nach anfänglicher Unsicherheit wegen, wie ich inzwischen weiss, unbegründeter Selbstzweifel, die “Maschine” immer noch funktioniert, ich immer sicherer werde und mich zunehmend wohlfühle auf dem Rücken des Pferdes. Nach einer halben Stunde Schrittgehen mit immer mehr eigenständigem Sitzen ohne Benutzung der frei hängenden Hände, um mich am Sitz festzzhalten ist es leider vorbei und ich kann auf dem Weg zum Parkplatz herausfinden, ob mein “Sixpack” profitiert, ich mich aufrecht halten und mit weniger Hilfe der Walkingstöcke gehen kann. Auch, wenn die Hälfte Einbildung ist, fällt mir der Rückweg leichter und ich grinse breit über die Feststellung, dass ich tatsächlich einen Trainingseffekt feststelle, viel freier gehe und mir in Gedanken ein Freudenschrei aus der Kehle ertönt, den bestimmt der Ganze Hof gehört hat. Es geht voran!

Konzertsaison in Bonn

Die open air Konzertsaison in Bonn startete gestern vor dem “Kleinen Theater” in Bad Godesberg mit “Musik unter der Zeder” in die zweite Saison. Es gab Brazil Jazz und Latin Grooves mit der Sängerin Astatine, begleitet von dem Gitarristen Uwe Arenz und dem Querflötisten Michael Heupel. Mitten im Kurpark sassen etwa 100 Gäste vor der kleinen Bühne, auf der qua Corona auch die übrigen Darbietungen des Theaters aufgeführt werden. So konnten wir Astatine polylingual süd- und nordamerikanische Songs singen hören und, einer der Clous des Abends, “Gute Nacht, Freunde” von Reinhard Mey als neu arrangiertes Geburtstagsspecial für einen der Organisatoren geniessen. Die Athmosphäre war (man trifft sich immer wieder) familiär und die lokalen Musiker sind schon fast Freunde. Einige der Jazzarrangements von Querflöte und Gitarre, ergänzt um portugiesische, deutsche, englische und französische Texte liessen die Zuhörer auf Reisen gehen und ergänzt durch die akustischen Beiträge der heimischen Vogelwelt war es ein sehr angenehmer und intensiv beklatschter Abend. (Nächsten Montag gibt es die hiesige Rocksängerin Cynthia Nikschas mit Band).

Rheinhochwasser

Donnerstag Nachmittag, Blauer Himmel, Sonne, … also nichts wie ‘raus, Kamera mitnehmen und ab an den Rhein, “Hochwasser kucken”!

Mit dem Auto sind es nur wenige Minuten bis zum Rheinufer bei der berühmt berüchtigten Opernbaustelle. Ein Parkplatz findet sich rasch, dann den Rollstuhl ausgeklappt, die Kamera umgehängt und schon bald sind die ersten Bilder der bis zur Hälfte überfluteten Zufahrt zum Wasser gemacht. Der Rhein steht bis an den Uferweg, hat etliche ziemlich grosse, aber nicht wirklich tiefe Pfützen hinterlassen. Kinder mit Gummistiefeln tapsen hindurch und ich bekomme feuchte Hände von den Handrädern, mit denen ich meinen “Drittwagen” fahre. Hier liegt auch die “Rheinprinzessin” an ihrem Anlieger, mit der jetzt aber keine Ausflugsfahrten angeboten werden.

Die Promenade ist gut bevölkert, Spaziergänger, Radfahrer und ich nutzen das gute Wetter für ein Hochwasser “sight seeing”, andere Menschen jeden Alters sitzen auf Bänken oder den steinernen Ufermauern, betrachten das Wasser und den sehr dürftigen Schiffsverkehr oder unterhalten sich, werfen Stöcke für Hunde, machen Fotos, essen ‘ne Wurst oder prosten sich zu. Es herrscht eine entspannte, fast freudige Freizeit- und Wochenendathmosphäre.

Natürlich sind auch die Menschen, die das Gleiche tun, nicht gleich. Da ist die konzentriert radelnde Mutter mit ihrem “Fratz auf dem Kinderrad”, dem sie permanent Tips, Ratschläge und Anweisungen – “pass’ auf die Pfütze auf” – mehr oder weniger gut nicht nur für das Kind hörbar, ansagt oder zubrüllt, genau so, wie der oder die rasant überholende Rennradler*in. Die zahlreichen Waserlachen werden auch, zu Teil wirklich sehenswert, kunstvoll akrobatisch oder eben “irgendwie” passiert von Kunststücke präsentierenden oder einfach radfahrenden Mountainbiker*innen.

Ich fahre weiter auf dem Weg am Ufer, vorbei an Bäumen mit vom Wasser umschlossenen Stämmen, die sich malerisch im bewegten Wasser spiegeln, sehe etwa in Flussmitte ein grün und weiss lackiertes Rohr mit spitzem Hut hervorstehen, das vielleicht eine Markierung der Fahrrinne sein könnte, jetzt gut zwei Meter aus dem Fluss ragt und auf mich ziemlich nutzlos wirkt.

Auf meinem Weg mache ich Aufnahmen von zahlreichen Spiegelungen im Wasser, versuche immer wieder, die Bewegung des Wassers festzuhalten, fotografiere ein sich scheinbar im Rhein verlierendes Ufergeländer und bin angetan von den vielen Bildern, die das Zusammenspiel von Licht, unterschiedlichen Spiegelungen und scheinbar dem Fluss entwachsenden Baumkronen, Ästen und Zweigen hervorbringt.

Nach zwei Stunden bekomme ich nasskalte Hände und begebe mich zurück. Vielleicht morgen noch Mal.