9 Grad

9 Grad

Ja , es ist 9 Grad

Ja , es ist Winter

Ja, es ist kalt

Ja, Weihnachten kommt bald 

Nein, ich hab noch keine Geschenke

Nein, ich will mich nicht verrenken

Nein, weiß noch nicht, was ich da tue

Nein, Hauptsache, ich hab meine Ruhe

Vielleicht bin ich nicht zu Haus

Vielleicht geh ich einfach raus

Vielleicht in des Tagesstille

Vielleicht frage ich meinen inneren Willen

Dann wäre ich ganz für mich allein

Dann könnt ich nur für mich da sein

Dann würde niemand anders mir sagen

Dann würde keiner mich mehr fragen

Ob ich dieses oder jenes mag

Ob ich einfach ehrlich alles sag

Ob ich mal was Neues ausprobier

Ob ich das tun will, einfach nur mit MIR?

Tanzen

Leicht 

Schwingendes Drehen in mir 

Bewegtes Leben 

Rundumschlag, Schwungvoll

Nicht mehr stehen

Im Kreis bleiben 

Tanzen wie im Rausch

Rauslassen, sich verausgaben

Öffnen, frei sein.

Farbige Klekse spiegeln Buntes

Riss im Körper – Lähmungen

Nichts mehr mit Schwingungen

Gehen und tanzen 

Träumen vom Schweben

Im Inneren beweglich

Nur nicht mehr in echt 

Aber in mir bleibt es:

Rundherum im Kreise, mich drehen,

Bleibe leicht​​

Werde wieder tanzen.

Abgelegt

Abgelegt, weggesperrt, zu den Akten eingeordnet und weg damit. So interpretiere ich das Bild „Ablage“ vor der großen Statue, mit den übergroßen Füssen, ist sie behindert? Ja, anscheinend. Und so fühlt sich das an: abgelegt. Ich erinnere  mich an eine Beerdigung: Die Familie stand um den Pfarrer herum, nein nicht die ganze. Eine Tochter im Rollstuhl, weil sie bei dem Wetter, massiver Schnee, die Strecke nicht gehen und auch nicht lange stehen konnte. Ja, sie stand abseits, als ob sie nicht dazu gehörte, obwohl es auch ihre Mutter war, die beerdigt wurde.  Sie fühlte sich abgelegt. Sie wurde auch nicht von ihren Geschwistern gefahren sondern vom Neffen und dem Freund der Nichte…..sie gehörte nicht dazu. das blieb ihr in Erinnerung. Und in der Bildkonstellation fand sie sich wieder.

Genauso abgelegt empfindet sie die Inklusion, die keine ist: Es werden Straßen für Radfahrer und Fußgänger eingerichtet, Autos, dürfen da nicht fahren. Das bedeutet für Behinderte, die aufs Auto angewiesen sind, wir dürfen da nicht rein. Sie werden in die Schublade gesteckt. Also wieder abgelegt, wie alte nicht mehr notwendige Ordner. Keiner macht sich Gedanken darüber, nur die Betroffenen merken es und sie haben keine Lobby, die helfen. Sie sind zu schwach.  Genauso ist es im Kleinen; ein Besuch in einem Musik-Club: es ist ein Musikwettbewerb und sie möchte ihre Freundin singen hören. Nur – es gibt keine Stühle. Sie fragt nach – nein wir haben keine Stühle – dabei stehen draußen ein Stapel Plastik-Sommer-Stühle. Also entscheidet sie sich: sie geht. Es kommen andere Gäste hinter ihr her: Wir könnten Cola-Kisten aufeinander stapeln. Nein Danke, das ist mir zu unsicher…. Hinfallen wär das Schlimmste, was ihr passieren könnte. Also frustriert nach Hause!  So ist das mit dem in-Schubladen-stecken und abgelegt zu werden. Damit leben wir zur Zeit. Ob sich das ändert?

Reha oder Krankenhaus? Auf jeden Fall: Training!

Im Juni habe ich mich mal wieder in ein spezialisiertes MS-Krankenhaus einweisen lassen. Ich wusste, dass ich hier das Bewegungstraining bekomme, das ich brauche: Zur Stärkung und zum Input für neue KG-Übungen.

Den Gangtrainer (die Leyla) liebe ich: du wirst eingeschnallt und gesichert, als ob du auf einen Berg steigen willst. Du steigst in übergroße Schuhe und du wirst gegangen. Tempo und Größe der Schritte werden auf dich abgestimmt.  Nach der Übung habe ich größere Schritte gemacht und bemühe mich, das beizubehalten, auch hier zu Hause – es funktioniert: Die Impulse gehen in dein Gehirn.  Neben Laufband und normaler KG fährst du viel Fahrrad, auf diesen Sitzrädern, und guckst dir holländische Landschaften an oder schießt Luftballons ab. Dauer ca. 20Minuten – oder solange du kannst.  Alles Training.  Wenn du Lust hast, kannst du klettern – immer mit absoluter Sicherung. Und zwischendurch bin ich auch mal kurze Strecken ohne meine Walking-Stöcke gegangen.  Kleine, aber für mich wichtige Erfolge. Neben der Physiotherapiegibt andere Therapie–Möglichkeiten, die ich nicht genutzt habe, es wird ja alles auf den Einzelnen abgestimmt.

Das Krankenhaus ist für MS-Patienten verschiedenster Ausprägung. Also siehst du auch Schwerbetroffene, was ich nicht immer leicht finde. Daneben kann jeder auch eine psychologische Beratung bekommen oder in der Musiktherapie neue Erfahrungen sammeln. Hat mir nicht nur Spaß gemacht, sondern auch neue Erkenntnisse über mich gebracht.  

Und die Versorgung ist TOP! Es gibt eine Menüfolge mit speziellen Gerichten für MS-Erkrankte, d.h. viel Fisch, Hülsenfrüchte u. ä.: LECKER! Generell gibt es viel Obst. Das Haus ist gänzlich für MS-ler eingerichtet. Normales Krankenhaus mit Zwei-Bett-Zimmern und, wer will, Einzelzimmer, was natürlich extra kostet. Aber was tue ich nicht alles für einen solchen Aktiv-Urlaub!!! Hier hatte ich Zeit für mich – z.B. viel Musikhören. Und Ruhe finden. Eine AUS-ZEIT, die sich gelohnt hat.

Mein Parkplatz

Ja, das ist mein Parkplatz …. ich bin happy, dass mir die Stadt diesen nummerierten Parkplatz gegeben hat … fast direkt vor der Haustür. Kein Suchen mehr, keine langen Strecken vom Auto zu meiner Wohnung. Froh und erleichtert war ich, als ich ihn bekam. Klar, du musst schon einen hohen Schwerbehindertengrad nachweisen, aber das ist bei mir kein Problem …. und nun dachte ich, ich hätte Ruhe!  Denkste:  

In letzter Zeit wird mein Platz von irgendwelchen Mitmenschen in Beschlag genommen und ich stehe mit dem Auto da … und natürlich ist in Reichweite auch kein Platz frei.  Wenn ich Glück habe, kommt derjenige und ich spreche ihn an. Neulich bin ich beschimpft worden, ich solle mich nicht so anstellen, er wäre doch nur ganz kurz da gestanden, ja, das sind genau die Minuten, die ich bräuchte, um nach Hause auf die Toilette zu kommen. Das war dann natürlich zu spät. Aber mich beschimpfen zu lassen ist schon eine enorme Frechheit! Hab schon einmal meine Autotüren geschlossen, aus Angst, der wird noch handgreiflich. Aber er entschied sich zum Glück anders und fuhr weg.

Schlimmer ists abends: Ich komme um 22.30 Uhr da an und auf meinem Platz steht ein protziger BMW, Leihauto einer großen Firma. Der übliche Weg: Anruf beim Ordnungsamt – die kennen mich schon! Ich warte in der Kälte. Will schlafen gehen, bin müde.

Die Herren kommen relativ schnell: „Sie können das Auto ruhig laufen lassen, damit es Ihnen nicht kalt wird  – wir bekommen das nicht mit!“ So nett sind sie zu mir. Und „Es ist Ihr Platz und Sie haben das Recht darauf!“  Ja, das weiß ich und da in diesen Fall der Fahrer nicht zu finden war, kam der Abschleppdienst. Erleichtert! Zu Hause war ich dann um 23.15h. Und das Ordnungsamt ist mein Freund und Helfer!

Im Badezimmer

Geduscht und erfrischt war ich nach dem vielen warmen und danach kühlen Wasser, das mir über den Körper gelaufen war. Ich wollte das Badezimmer wieder aufräumen. Also nahm ich mein großes Handtuch in die Hand, Das Kleine hatte ich schon auf die Stange gehängt und wollte es auf die zweite Edelstahl-Schiene bringen. Ich streckte meine Arme hoch, um an die Metallleiste zu gelangen. So stand ich da. Uff, da kam mir die Stange entgegen. Das Handtuch rutschte ab, fiel herunter, auf den Boden – die Leiste hing an der Seite herab.  Und ich, zu Tode erschrocken, – immer noch mit hoch gereckten Armen – machte eine Rückwärtsbewegung mit meinem ganzen Körper, ein, zwei kleine schnelle Schritte nach hinten und ich stand wieder auf festem Boden. Oh Schreck – ich hätte voll nach hinten fallen können …eine Horrorvision in mir – eine wahnsinnige Situation, die ich mir besser nicht weiter vorstellte. ICH STAND! Was war ich froh.  Wie gut, dass ich immer das Balance-Training mache.   Glück gehabt!

Sonne pur

Heute Morgen fuhr ich zum Augen-Arzt, schon wieder  eine Arzt-Termin-Welle —  ich bin es einfach leid, aber es muss sein!  Herrlich, die Sonne schien — es wird Frühling. In die richtige Straße eingebogen, und schon konnte ich nichts mehr sehen. Die Sonne stand genau so, dass sie voll in meine Windschutzscheibe knallte. Keine Möglichkeit, die Strasse oder den Mittelstreifen oder den Randstreifenzu erkennen. Es blendete so stark, dass ich nichts von meiner Fahrbahn sehen konnte. Nur das stark blendende, helle, grelle Licht, dass in den Augen wehtat.  Ich fuhr weiter, was sollte ich machen. Es rumpelte und pollerte – ich spürte einen heftigen Widerstand, gegen den meine Reifen  stießen, einmal  auf irgendwas drauf  und schon war ich wieder unten. Das passierte zweimal – Vorderreifen und Hinterreifen. Erschrocken, direkt auf die Bremse gedrückt – mein Auto stand.  Was war das?  Im Rückblickwinkel sah ich das Schild mit der Fahrrichtung — ich war über den Rand einer Verkehrsinsel gefahren. War was kaputt? Ich fuhr langsam an, es ging. Es schien alles in Ordnung zu sein! Beim nächsten Halt sah ich mir den Schaden an, die Radreifenmanschette war angeknickst.  Hm … was für ein Glück – das Schild habe ich nicht berührt. Am nächsten Tag beulte man mir in der Autowerkstatt mit einem Gummihammer die Felge wieder zurecht  und schon konnte ich wieder fahren.  Glück gehabt!!!! Und ich war froh!

AUS  – AUSBLICK  – in eine andere Welt des AUS-SEINS: 

AUS – Sein heißt: aussen vor sein … 

—nicht in der Mitte von etwas, sondern draussen.

AUS  – Sein heißt, 

—nicht dazu gehören

Also AUSsenseiter  sein

—Wer sind AUSsenseiter?

Die, die aussen stehen. 

—Wer sagt das?  Die anderen? – ich?  .

Wer sind die anderen?  

—Die die Recht haben?

Wer gibt ihnen die Macht, recht zu haben.  

—Auch wieder andere.

Wer gibt Menschen das Recht, über andere Menschen zu verfügen? 

—Niemand.

Aber – überall sind Menschen, die aussen stehen 

— sie werden ausgeschlossen:

AUS-.Sein bezieht sich auf viele Menschen:

—-Behinderte Menschen, Menschen in Armut, Flüchtlinge, Menschen mitanderen Religionen.

Uns begegnen jeden Tag Menschen, die Aussenseiter sind, 

—-weil sie nicht der Norm entsprechen:

Warum finden Behinderte keine Behindertentoiletten in vielen Restaurants und Theatern?

—Sie sind Aussenseiter!

Warum sind für Rollstuhlfahrer oft die passenden Wege nicht eingerichtet?

—-Sie sind  Aussenseiter!

Es kommen viele Menschen aus ihren Heimatländern als Flüchtlinge zu uns. 

—Sie werden hier nicht akzeptiert! Sie sind Aussenseiter!

Menschen in Armut können am gesellschaftlichen Leben, Veranstaltungen 

jeglicher Art, nicht teilhaben. 

—-Sie sind Aussenseiter!

Weil ich in der Stadt bestimmte Strassen nicht mehr befahren darf, stehe ich auch  im AUS, bin also auch draußen vor, bin ausgegrenzt—-das fühlt sich mies an, ich bin hilflos und ohnmächtig – und ich kanns nicht ändern.

—–Steht nicht jeder von uns auch mal auf der Aussenseiter-Seite – ist Aussen vor?

Ich bin auch eine Aussenseiterin. 

Weil ich als Behinderte aus der Norm falle.

Habe ich einen AUSBLICK auf Verbesserung?